Die Steinkohle, die insbesondere im Gebiet des heutigen Dickenberges an zahlreichen Stellen zutage tritt, ist den Bewohnern des Ibbenbürener Raumes sicherlich früh bekannt gewesen und von ihnen wohl auch früh genutzt worden. Einen Bergbau auf Kohle im herkömmlichen Sinne des Wortes gab es lange Zeit nicht. Bis in das späte Mittelalter hinein galt die Kohle im Gegensatz zu den verschiedensten Erzen nicht als bergbauliches Mineral. Ihre Nutzung blieb angesichts des Reichtums an Holz örtlich auf den Hausgebrauch sowie das Betreiben von Schmiedefeuern und Kalköfen begrenzt.
Die Aufzeichnungen über die 1. Phase des Ibbenbürener Bergbaus sind recht spärlich. So ist die älteste schriftliche Kunde über den Steinkohlenbergbau in der Grafschaft Tecklenburg-Lingen fast 500 Jahre alt. Bereits damals lieferten die Ibbenbürener Gruben Kohle für den Hausbrand nach Osnabrück. - Im benachbarten Osnabrück reichen die ältesten Urkunden über Kohlenbergbau und Kohlenverwendung noch weiter zurück. Im Jahre 1462 machte ein Mann namens Nolke, der als „Kohlenbrecher“ tätig war, einer Osnabrückschen Stiftung eine Schenkung. Aus den Jahren um 1490 ist überliefert, daß Schmiedefeuer in Osnabrück mit Steinkohle betrieben wurden. Im Jahre 1562 pachtete ein Konsortium von Osnabrück Schmieden vom Fürstbischof das Kohlenregal im Amte Iborg, also das Recht in dem genannten Gebiet Kohle abzubauen. Vermutlich war es auch dieser Zusammenschluß von Schmieden, der laut Protokoll von 1578 Kohle bei Oesede und Ibbenbüren förderte.
In seiner „Beschrievinge der Graefschaf Lingen" erwähnte der damalige Rentmeister van Limborg 1556, daß man dem Pächter der Kalköfen in der Gemarkschaft Uffeln nahegelegt habe, die Öfen mit Kohle zu betreiben. Der Kohlenabsatz muß sich in jener Zeit weiter ausgeweitet haben, denn 1563 wurde im gräflich Lingenschen Tarif für Frachten, die Lingen zu Wasser passierten, Steinkohle als Zahlungsmittel angegeben. Eine weitere Eintragung des Rentmeisters aus dem Jahre 1564 berichtet uns, daß der Pächter Wessels die Kalköfen und Kohlengruben wegen „armoed“ brachliegen ließ. 1601 registrierte er, Wessels sei „weggeloopen“. Daraufhin übertrug Graf Moritz von Nassau-Oranien den Betrieb der Kalk- und Kohlenwerke dem Ibbenbürener Vogt Frederik van Russel. In den Jahren von 1607 bis 1609 bezog die Saline Rheine laufend Kohlen aus Ibbenbüren. Der Kohlenabsatz nach Rheine wurde 1633 wieder urkundlich bestätigt.
In dieser Anfangsphase ist die Kohle am Ausgehenden der Flöze regelrecht gegraben worden. Zahlreiche Pingen, das sind muldenartige Vertiefungen, wie auch Bergehalden wurden in Aufzeichnungen aus der 1. Hälfte des 18.Jahrhunderts als Zeugnisse dieses ältesten Bergbaus bezeichnet.
Erst als die Kohle vom Tage her abgegraben war, folgte man allmählich dem Verlauf der Flöze in die Tiefe, ging man zur Anlage von Stollen, Lichtlöchern und Schächten über. In einem Gesuch aus dem Jahre 1662 berichtete der Pächter einer Grube bei Ibbenbüren, daß er harten Felsen durchörtern lassen mußte, „om de Steenkoelen te finden“ und die „dywyls meer als 150 vooten diep onder die aerde hebben moeten soeken“.
Ab 1687 gingen die Gruben in der Obergrafschaft Lingen, zu der damals das gesamte Gebiet des heutigen Dickenbergs gehörte, erstmalig in die Regie der Landesherren über. Kurz darauf beschloß die von diesen eingesetzte Grubenleitung, zur Behebung der Wassernöte am Dickenberg den Bau eines Wasserlösungsstollens durchzuführen. Der Stollenbau selbst wurde in den Jahren 1691-1697 verwirklicht. Für die Arbeiten hatte man ,,Waelsche" Bergleute aus dem französisch-sprachigen Raum um Lüttich angeworben. In ihren Aufzeichnungen über den Fortgang der Arbeiten wird erstmalig über Sprengarbeiten mittels Schießpulver berichtet.
Die Grafschaft Lingen fiel im Jahre 1702 an
Preußen, fünf Jahre später folgte die Grafschaft Tecklenburg.
Für die weitere Entwicklung des Bergbaus erhielten diese Daten besondere
Bedeutung. Über den Umfang des Bergbaus auf dem Dickenberg zur damaligen
Zeit liegen keinerlei verläßliche Angaben vor. Wir dürfen
aber davon ausgehen, daß die Terheyden die wohl älteste Ibbenbürener
Bergmannsfamilie überhaupt sind. Zur Zeit der Namengebung (etwa 16.Jahrhundert)
sollen die Terheyden in der Heide auf dem Dickenberg gewohnt haben. Die
Fachkenntnisse, die langjährigen Erfahrungen dieser Familie führten
schließlich dazu, daß etwa ab Ende des 17.Jahrhunderts rund
50 Jahre lang die Geschicke der 1. Ibbenbürener Grube von den Terheyden
(erst Vater, dann Sohn) geleitet wurden.
Rudolfschacht (um 1934) |
Marianne-Schachtanlage (um 1933) |
Rudolfschacht (um 1934) |
Grube Mieke (um 1952) |
In jenen Jahrzehnten setzte eine rege Betriebsamkeit ein. Im Jahre 1740 bildete sich im Bereich des westlichen Dickenbergs die Zeche ,,Dickenberg", 6 Jahre später wurden im Nordwesten die Zeche „Buchholz“ und im Süden die Zeche „Glücksburg“ gegründet. In dieser Epoche erfolgte eine bedeutsame Erweiterung der damaligen Zechen. 1748 wurde der Dickenberger Oberstollen neu aufgewältigt, auf ihm wurden 11 Schächte und 17 Luftlöcher errichtet. Im gleichen Jahr wurde im nordwestlichen Bereich der Bergplatte der Buchholzer oder Steinbecker Stollen aufgefahren. 1771 wurde der Dickenberger tiefe Stollen angelegt, 33 Jahre später begann von Püsselbüren aus die Aufwältigung des alten Glücksburger Oberstollens. Diese umfangreichen Arbeiten zur Lösung des Wasserproblems machen deutlich, daß bereits vor rund 250 Jahren vielerorts die tagesnahen Flözpartien abgebaut waren. Am Südrand der Gebirgsscholle ging auf dem dort zutage tretenden Flöz Glücksburg bereits ein lebhafter Bergbau um.
Nach 1776 nahm sich Friedrich der Große als Landesvater nunmehr energisch der Sache der Kohle an. 1777 ernannte er den wohl besten Kenner des damaligen Bergwesens, den Freiherrn von Heinitz zum preußischen Bergwerksminister. Von Heinitz selbst rief den jungen Freiherrn vom und zum Stein in sein Ministerium. Der Preußenkönig entsandte mehrfach bergerfahrene Verwaltungsfachleute nach Ibbenbüren. U. a. kam damals der Freiherr vom und zum Stein mehrfach nach Ibbenbüren. Diese Fachleute inspizierten die Gruben und berichteten dem König. Gesetzgeberische Reformen wie auch die Gewährung von Privilegien an die Belegschaften der Ibbenbürener Zechen haben deren weiteres wachsen sicher positiv beeinflußt. Auf Initiative des Freiherrn vom Stein ging 1790 auf dem Dickenberg der 1. Pferdegöpel in Betrieb und löste die bisher zum Heben der Fördergefäße gebräuchlichen Handwinden ab. Die Gruben, seit Menschengedenken nur während der Herbst- und Wintermonate betrieben, stellten auf den vollen Jahresbetrieb um.
Während sich bisher die Grubenbelegschaften aus der vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung des Raumes Ibbenbüren - Püsselbüren - Uffeln - Steinbeck rekrutierten, setzte mit Beginn des Jahres 1737 über viele Jahrzehnte hinweg die Zuwanderung von Bergleuten aus anderen deutschen Bergbaugebieten wie Eisleben, Mansfeld, Rothenburg, Clausthal/ Harz, Schmalkalden/Hessen und Wettin/Sachsen ein. Die Zugewanderten trugen u. a. Namen wie Brunne, Cramer, Engel, Fuchs, Hermann, Kleingünther, Schlüter und Wolf, Namen, die heute nach einem viertel Jahrtausend noch immer in unseren Belegschaftslisten auftauchen. So liegt der Schluß nahe, daß ein nicht unerheblicher Teil der Zugewanderten damals im Raum Ibbenbüren ansässig geworden ist. Bergbau und das übrige Gewerbe wurden tatkräftig von der Regierung gefördert. Ab 1782 ging die Regierung in Berlin dazu über Brennereien, Brauereien und Ziegeleien bei der Umstellung ihres Betriebes auf Kohleverwendung Geldprämien zu gewähren. U. a. erhielt Amtsrat Rump, Ibbenbüren, der 1799 seinen Ziegelofen in Mettingen auf Kohlefeuerung umstellte, eine Prämie von 100 Reichsthalern. Zur Deckung des Bedarfes an Grubenholz wurde ab 1787 erstmalig unter der Regie der Bergbauverwaltung zwischen Buchholz und Dickenberg eine 60 Morgen große Grundfläche systematisch aufgeforstet.
Aus dieser Phase der Entwicklung ist auch eine erste bildungspolitische Aktivität des Bergbaus überliefert: 1797 wurde für die Kinder der in den Bauernschaften Bockraden, Püsselbüren und Uffeln ansässigen Bergleute eine protestantische Volksschule errichtet. Diese später als „Dickenberger Knappschaftsschule“ bezeichnete Schule wurde bis zu ihrer Übernahme durch die Gemeinde Ibbenbüren im Jahre 1873 vom Bergbau getragen. Die Lehrer erhielten ihr Gehalt aus der Knappschaftskasse sowie entsprechende Kohlendeputate.
Ab 1753 hatte man dem damaligen Berginspektor Rudolphi gestattet, ein Siegel zu verwenden und mit „Königlich Preußisches Bergamt“ zu unterschreiben. Bereits 1770 wurde die Verwaltung der Ibbenbürener Gruben durch Regierungsdekret zum „Tecklenburg-Lingenischen Bergamt“ erhoben. Zu jener Zeit hatte die wilde Kohlengräberei erheblichen Umfang. In den Kanzeln der Kirchen wurde wiederholt das Verbot des Kohlegrabens als ein Eingriff in das allein dem König zustehende Bergregal verlesen und empfindliche Strafen angekündigt.
In den 3 Jahrzehnten von 1770 bis 1800 verdoppelte sich die Kohlenförderung auf rund 6000 t/Jahr. Ein weiteres Wachsen des Kohlenabsatzes war wegen der damaligen katastrophalen Wegeverhaltnisse nicht möglich. Das zuständige Oberbergamt in Wetter/Ruhr wandte sich deshalb 1804 an den Kriegs- und Landrat Blomberg/Lengerich und den Kriegs- und Domänenrat Mauve/Lingen, mit der Aufforderung, die polizeiliche Instandsetzung der öffentlichen Wege zu veranlassen. In den darauf folgenden Jahren wurde ein umfangreiches Straßenbauprogramm abgewickelt. Die Gruben wurden mit ihrem natürlichen Hinterland verbunden. Der Bergbau stellte dafür erhebliche Zuschüsse bereit. „Die Kohlenstraße“ von der Stadt zur Glücksburger Zeche (Schwaben-Bayer), die heutige Glücksburger Straße, wurde 1820 auf Kosten des Bergamtes völlig neu ausgebaut. 1827 nahm ein bergamtlicher Wegewärter seinen Dienst auf.
1805 nahm die „Friedrich-Wilhelms-Eisenhütte“ zu Gravenhorst ihren Betrieb auf. Der jährliche Kohlenbezug von der Zeche Glücksburg erreichte die Höhe von 80000 Pingel ( =4889 t). Ein schon damals angestrebter Liefervertrag über eine Laufzeit von 30 Jahren kam jedoch wegen der politischen Unsicherheit unter dem französischen Besatzungsregime (1806-1813) nicht zustande.
Im Jahre 1822 wurde an der heutigen Straße ,,Zum Esch" ein neuer Schacht der Zeche Glücksburg, der „Abendsternschacht“ in Angriff genommen. Dieser Schacht wurde als erster in Ibbenbüren mit einer Dampffördermaschine ausgerüstet, deren Leistung 4 PS betrug. 1829 wurden erstmalig unter Tage eiserne Grubenschienen verwendet. In dem sich an das Abendsternfeld anschließenden östlichen Glücksburger Flöz wurde 1833 der Glücksburger Hauptschacht abgeteuft. Durch die Ausweitung des Kohlenabsatzes nach Holland und die Einrichtung eines ständigen Kohlenmagazins in Münster waren die anstehenden Flözpartien in weniger als 2 Jahrzehnten abgebaut, 1848 mußte die Förderung auf dem Glücksburger Hauptschacht eingestellt werden.
Noch zu Beginn des 19.Jahrhunderts lag mit
den Gruben „Dickenberg“ und „Buchholz“ das Schwergewicht bergbaulicher
Tätigkeit im westlichen Feldesteil. Mit dem Bau der Schachtanlage
,,Glücksburg“ setzte eine Verlagerung des Bergbaus zur Feldesmitte,
in Richtung Bockradener Graben ein.
Aufbereitung in Püsselbüren (1935) |
Pachtgrube Friedrich-Wilhelm (1930) |
Die Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Osnabrück - Rheine 1856 eröffnete den Zechen bisher nicht erreichbare Absatzgebiete. Das Königlich Preußische Bergamt Ibbenbüren hatte vorher in zähen Verhandlungen erreicht, daß der ursprüngliche Plan der nördlichen Linienführung Osnabrück - Nordhorn fallengelassen und die Eisenbahnlinie über Ibbenbüren geführt wurde. Kohlebedarf und Belegschaft erhöhten sich von diesem Zeitpunkt an fortlaufend. Um den erhöhten Anforderungen gerecht werden zu können, begannen im selben Jahre die Abteufarbeiten für den „Pommer-Esch-Schacht“. Hohe Wasserzuflüsse erschwerten das Teufen außerordentlich. 1865 erfolgte die Fertigstellung mit der Endteufe von 174 m.
Ausgerüstet wurde dieser 1. Tiefbauschacht des Ibbenbürener Reviers mit einer 83-PS-Dampffördermaschine.
Um die Kohlen des „Pommer-Esch-Schachtes“ der Eisenbahn zuführen zu können, wurde 1856 mit dem Bau des Püsselbürener Förderstollens begonnen. Die Vortriebsarbeiten wurden an 3 Stellen gleichzeitig aufgenommen und am 2.2.1860 abgeschlossen. Die Gesamtlänge betrug 1136 m, durch die Anbindung des Flözes Buchholz wurde der Stollen einige Jahre später auf 2143 m Länge gebracht.
Am 3.11.1862 erfolgte erstmalig die Kohlenverladung
per Eisenbahn. Hohe Wasserhaltungskosten führten schließlich
am 1.4.1879 zur Schließung des „Pommer-Esch-Schachtes“. Damit kam
die Kohlenverladung in Püsselbüren Zwangsläufig zum Erliegen.
Von einer 4-jährigen Unterbrechung (1884 -1898 Wassereinbruch auf
dem „von-Oeynhausen-Schacht“) abgesehen, dauerte diese Zwangspause bis
zum Jahre 1911. Im Jahre 1914 rollten bereits 16435 t Kohle über den
Stollen zur Verladestation.
Der akute Kohlenmangel jener Jahre führte schließlich 1920 zum Abteufen des Marianneschachtes, der nach der Frau des damaligen Werksdirektors (Oberbergrat Müller 1919-1933) benannt wurde. In der Hauptmulde stand seit rd. 20 Jahren das Flöz Buchholz vorgerichtet, dessen Vorräte durch den neuen Schacht dem Abbau erschlossen wurden.
Die bedeutenden Kohlenvorräte wie auch
die wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus für die Region Ibbenbüren
gaben 1923 den Ausschlag für einen weiteren Ausbau der vorhandenen
Bergwerksanlagen. Die politische Entwicklung begünstigte letztlich
dieses Vorhaben. Unterstanden die Ibbenbürener Zechen seit 1903 den
Direktiven der eigens für die Verwaltung der Staatszechen gegründeten
Bergwerksdirektionen mit Sitz in Dortmund, später Recklinghausen so
wurden sie 1923 wegen der Ruhrbesetzung aus diesem Direktionsbezirk herausgelöst
und mit Wirkung vom 1.11.1924 auf die PREUSSISCHE BERGWERKS- und HÜTTEN-AG
übertragen. Diese stellte 13 Mio. RM für die Modernisierung der
Ibbenbürener Werke zur Verfügung. Im Rahmen dieser 1925 beginnenden
Ausbauphase wurde in Püsselbüren eine Kohlenwäsche mit Separation
errichtet und am 24.6.1926 in Betrieb genommen. In den folgenden beiden
Jahren wurden ein neues Werkstattgebäude sowie ein Zechenhaus errichtet.
Parallel mit der Errichtung der Kohlenwäsche erfolgte die Modernisierung
der Förderung. Der Püsselbürener Förderstollen wurde
erweitert, das Gestänge auf 600 mm Spurweite gebracht, die dort in
der Förderung verwendeten Grubenpferde durch Grubenloks abgelöst
und neue Förderwagen mit 0,6 t Fassungsvermögen eingeführt.
Einige Jahre später wurde von der Förderstollensohle aus ein
45 m tiefes Gesenk geteuft, das schließlich am 7.7.1930 in Betrieb
genommen wurde. Im Zuge der Neuordnung des Bergwesens wurde am 2.2. 1857
das Bergamt Ibbenbüren aufgehoben. Die Verwaltung der Ibbenbürener
Gruben führte danach die Bezeichnung „Königliche Berginspektion“
und ab 1903 „Körngliche Berginspektion 1“.
Neubau des Förderturmes Rudolfschacht (1956) |
Abbruch des Fördergerüstes über dem Marianneschacht I (1954) |
Die Marianneschächte I und II (1952) |
Die elektrische Fördermaschine des Marianneschachtes I (1952) |
Bereits im Jahre 1884 wurde der heutige Rudolfschacht
bis zur Teufe von 32 m niedergebracht. Seinen Namen erhielt der Schacht
nach dem Steiger Rudolf Schröder, der die Abteufarbeiten beaufsichtigte.
Den Schachtansatzpunkt legte man an die Stelle, an der der Püsselbürener
Förderstollen das Flöz Buchholz erreicht hatte. Der große
Wassereinbruch auf dem Ostfeld machte eine rasche Erhöhung der Förderung
im Westfeld erforderlich. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde von oben
genannter Stelle des Püsselbürener Förderstollens 1896 ein
20,3 m hoher Aufbruch hergestellt und damit die endgültige Verbindung
zwischen Rudolfschacht und Förderstollen geschaffen.
Bis zum Jahre 1902 waren die Ibbenbürener Gruben die einzigen staatlichen Gruben in Westfalen. Damals kaufte der preußische Staat eine Reihe großer Ruhrzechen, um insbesondere den Energiebedarf von Heer und Marine decken zu können. Nunmehr wurde alles verfügbare Geld einschließlich der in Ibbenbüren erwirtschafteten Überschüsse in die staatlichen Ruhrzechen investiert. Dadurch blieben natürlich auch die gesamten Westfeldanlagen in ihrer technischen Entwicklung zurück.
In den von einem fühlbaren Kohlenmangel geprägten Nachkriegsjahren entstanden im Westfeld zahlreiche oberflächennahe Stollenbetriebe, die z.T. ohne Genehmigung betrieben wurden. 1921 befanden sich z.B. 81 Pachtgruben in Förderung, die 362000 t Kohle förderten. Mit der Grube „MIEKE“ wurde schließlich im Jahre 1964 die letzte dieser Pachtgruben stillgelegt. Diese Kleinzechen brachten Ibbenbüren zu jener Zeit auch die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „Püttbüren“ ein.
Die 30er Jahre brachten die Modernisierung der Tagesanlagen. 1934 erhielt der Marianneschacht ein Fördergerüst aus Stahlkonstruktion, 1935 wurde die Dampffördermaschine durch eine elektrische Anlage abgelöst und anschließend der Schornstein, das bisherige Wahrzeichen, umgelegt. Der in den Jahren von 1924 - 1935 geschaffene Betriebszuschnitt prägte das Bild der Westfeldanlagen bis in die Nachkriegszeit.
Nach dem 2. Weltkrieg standen die Gruben zunächst
über einen Zeitraum von 5 Jahren unter der Kontrolle der von den Siegermächten
eingesetzten NGCC. Erst ab 1951 erhielt die Preussag das Verfügungsrecht
über ihre Werke zurück. Hauptproblem jener Jahre war der durch
Krieg und Nachkriegszeit entstandene enorme Nachholbedarf. Die Ausrichtung
war zurückgeblieben, die technischen Anlagen inzwischen veraltet.
Die Kohle war Mangelware, die offizielle Politik der 50er Jahre ging von
der Notwendigkeit einer wesentlichen Steigerung der Kohlenförderung
aus. Vor diesem Hintergrund setzte 1951/52 ein großzügiger Ausbau
der vorhandenen Anlagen ein. Marianne- und Rudolfschacht wurden tiefer
geteuft. In Püsselbüren wurde ein neues Wäschegebäude
errichtet, die dort vorhandenen Gebäude wurden um- bzw. ausgebaut,
die Tagesanlagen von Marianne- und Rudolfschacht völlig erneuert.
Bis 1959 erhielten beide Zechen neue Fördermaschinengebäude,
Fördermaschinen, Kesselhäuser, Schachthallen und Kauen. Die Erweiterung
der 1952 errichteten Wäsche in Püsselbüren und die Kauenneubauten
auf dem Wilhelmschacht bildeten 1959 den Abschluß der Ausbauphase.
Wilhelmschacht (um 1958) |
Aufbereitung Püsselbüren (1952) |
Preussag-Lok in Püsselbüren (1952) |
Stollenmundloch in Püsselbüren (1962) |
Bedingt durch geologische Störungen und Verwerfungen konnte der für Steinkohlenbergwerke typische Strebbau in den flach gelagerten Flözen auf dem Westfeld über lange Jahre nur in wenigen Fällen wirtschaftlich angewendet werden. In den besonders stark gestörten Flözen Buchholz und Glücksburg setzte sich deshalb als Abbauverfahren der Pfeilerbruchbau durch. Beim zweiflügeligen Pfeilerbruchbau mit tannenbaumarttigem Verhieb wurden bereits Gewinnungsleistungen von 5 bis 7 tvF/ Mannschicht (Tonnen verwertbare Förderung pro Mannschicht) erzielt. Aus einem etwa 4 m breiten Förderaufhauen heraus wurden dabei in Abständen von 12 m beiderseitig rd. 40 m lange Querhiebe aufgefahren, die mit Holzstempeln ausgebaut wurden. Die Kohlenpfeiler zwischen den Querhieben wurden anschließend im Rückbau hereingewonnen. Die mit Sprengarbeit gelöste Kohle wurde von Hand auf Schüttelrutschen geladen. Mit zunehmender Teufe des Abbaus mußte dann aus wettertechnischen Gründen vom zweiflügeligen zum einflügeligen Tannenbaumabbau übergegangen werden. Bei homogenem Sandsteinhangenden konnte die Abbaufront stempelfrei bleiben und die Ladearbeit mit Schrappern durchgeführt werden. Die Gewinnung erfolgte dann durch Sprengarbeit, wobei in der Mitte des Flözes in Abständen von 1m 2,3m tiefe Löcher gebohrt wurden, die mit Wettersprengstoff der Klasse 1 geladen wurden. Weil im Flöz Glücksburg so gut wie kein Methan auftrat, konnten Halbsekundenzünder für das Abtun der Sprengladungen benutzt werden. Als Fördermittel dienten im Abbaubereich Doppelkettenförderer, die die Kohle auf ein Gummigrutband in der Strecke aufgaben.
Der Ausbau bestand, wie auch in allen anderen
Pfeilerbruchbaubertrieben auf dem Westfeld, aus Holzstempeln mit Kopfholz.
In den Pfeilerbruchbaubetrieben mit Schrappern wurden Gewinnungsleistungen
von bis zu 14 tvF/Mannschicht erreicht.
Außer diesen Gewinnungsverfahren wurden weitere mit mehr oder weniger Erfolg erprobt und durchgeführt. So gab es Pfeilerbruchbau mit Schrappern und überlangen (bis zu 25 m) Sprengbohrlöchern und schließlich Pfeilerbruchbau mit Räumern, einer Art Hobel ohne Meißel.
In Spitzenzeiten gab es über 30 dieser
Pfeilerbruchbaubetriebe, die über bis zu sieben Ladestellen an die
kreisförmig durch das Grubenfeld aufgefahrene 2. Sohle angeschlossen
waren. Wenn abnehmende Störungshäufigkeit eine lange Abbaufront
zuließ, wurde neben dem Pfeilerbruchbau auch Strebbau betrieben.
Dort erfolgte die Gewinnung zunächst noch mit dem Abbauhammer und
die Förderung mit Schüttelrutschen und Kettenförderern.
Bereits im Jahre 1960 wurde jedoch ein Versuch unternommen, die Gewinnung
mit einem Walzenschrämlader zu mechanisieren. Der eingesetzte Eickhoff-Walzenschrämlader
W-SE IV mit einem 80-kW-Motor konnte im Blasversatzstreb 8/9, Flöz
Glücksburg, die in ihn gesetzten Erwartungen nicht ganz erfüllen,
so daß die Gewinnung mit Sprengarbeit oder von Hand vorerst nicht
verdrängt wurde. Erst im Jahr 1966 wurde im Streb 1/2 in Flöz
Dickenberg zum ersten Male auf dem Westfeld ein Hobel als Gewinnungsgerät
eingesetzt. 1967 wurden die Hobelversuche in Flöz 2 im Jahr 1970 hatte
sich die schälende Gewinnung in den Streben durchgesetzt. Nachdem
zuvor Holzstempel, Reibungsstempel und hydraulische Einzelstempel als Strebausbau
gedient hatten, konnte im Jahr 1971 in Flöz 2 nach Anschaffung von
Schreitausbau auch die Ausbauarbeit mechanisiert werden. Seither bestanden
die Strebausrüstungen auf dem Westfeld üblicherweise aus Anbauhobel
mit am Kohlenstoß offenliegender Hobelkette, Dreifach- oder Doppelkettenförderer
und hydraulischen Ausbaugespannen. Nur der Streb 1/2a, Flöz Glücksburg,
im Bockradener Graben erhielt als einziger Streb abweichend einen Bockausbau.
Zweiflügeliger Tannenbaumabbau |
Hauer im Kohlenstoß (1940) |
Airbreakereinsatz bei der Kohlengewinnung im Flöz Glücksburg (1962) |
In söhligen Strecken war die Kohlenförderung mit Pferden bis etwa 1955 ein gewohntes Bild. Die rd. 90jährige Geschichte der Grubenpferde endete am 30.März 1957, als „Hugo“, das letzte Grubenpferd, am Rudolfschacht im Rahmen einer kleinen Feier verabschiedet wurde. Im Jahr 1927 waren die ersten Benzol- bzw. Dieselloks angeschafft worden, die die Förderung auf der Stollensohle vom Rudolfschacht bis zum Stollenmundloch bei der Kohlenverladestelle in Püsselbüren übernommen hatten. Die Dieselloks wurden später durch Fahrdrahtlokomotiven ersetzt, die bis zuletzt die Kohlenwagen über die Stollensohle zur 1926 erbauten Kohlenwäsche Püsselbüren zogen.
Die Kohlenaufbereitung Püsselbüren wurde im Jahr 1954 umgebaut und erweitert. Sie war zuletzt für eine Leistung von 300 t/h ausgelegt. Grobkorn von 18 bis 80 mm wurde einer Schwerflüssigkeitsaufbereitung unterzogen, Setzmaschinen übernahmen die Sortierung von Mittel- und Feinkorn.
Am Stollenmundloch in Püsselbüren
befand sich seit der Fertigstellung des Stollens ein Magazin mit Lagerplatz,
von dem aus die Materialversorgung der Grube erfolgte. Ausbau und Maschinenteile
wurden mit Lokomotiven über die Stollensohle bis zum Rudolfschacht
transportiert dort eingehängt und von der 2. Sohle aus auf die Betriebe
verteilt. Die wenig leistungsfähige Gestellförderung des Rudolfschachtes
wurde im Jahre 1968 durch einen Förderberg umgangen, der von der 2.
Sohle zur Stollensohle aufgefahren wurde. Neben der Vereinfachung der Kohlenförderung
brachte dieser Förderberg auch Erleichterungen für den Materialtransport,
der ab 1970 in diesem Bereich von einer 1600 m langen Beco-Bahn übernommen
wurde. Diese elektro-hydraulisch angetriebene Schmalspurbahn war besonders
leistungsfähig, weil ein automatisches Weichensystem den Gegenzugverkehr
ermöglichte. In anderen geneigten Grubenbauen und im Abbaubereich
wurden zuletzt ausschließlich Einschienenhängebahnen (seit 1965)
für den Materialtransport verwendet, die eine Gesamtlänge von
32 km aufwiesen. Seit dem Jahr 1969 waren einige dieser Hängebahnanlagen
für die Personenfahrt zugelassen.
Streb in Flöz Reden (1971) |
Einschienenhängebahn (1969) |
Brotschicht im Flöz Glücksburg (1960) |
Fahrdrahtlok auf der Stollensohle (1976) |
Bereits 1949 hatte die Förderung der beiden Ibbenbürener Steinkohlenbergwerke Ostfeld und Westfeld zum ersten Male nach dem Zweiten Weltkrieg eine Million t/a erreicht. 1957 betrug die Jahresförderung bereits 1,8 Millionen t Steinkohle.
Die Belegschaft wuchs ständig und erreichte im März 1958 mit mehr als 8000 Arbeitern ihren höchsten Stand Im gleichen Jahr stockte erstmals nach dem Kriege der Absatz. An der Ruhr mußte eine Reihe kleinerer Zechen schließen, und als Folge der ersten Kohlenkrise kehrten in Ibbenbüren ca. 300 Bergleute vorzeitig ab. Die Förderung stagnierte daraufhin kurze Zeit, stieg jedoch in den Jahren 1961 bis 1965 wieder bis auf 2,2 Millionen t/a an. Mit der Fördersteigerung nahmen aber auch die Haldenbestände zu, die von 1958 noch 171000 t auf fast eine Million t im Jahr 1965 anstiegen.
Die Preussag war unter diesen Umständen gezwungen, ihre Planung im Kohlebereich zu überdenken. Trotz aller Bedenken entschloß man sich, beide Ibbenbürener Gruben weiter zu betreiben. Dies war aber nicht ohne schwerwiegende Eingriffe in den Betrieb möglich.
Die Förderung wurde entsprechend den niedrigen Absatzerwartungen auf 1,8 bis 2 Millionen Tonnen pro Jahr zurückgenommen. Innerhalb von 2 Jahren (1966/67) gingen mehr als 1400 Mitarbeiter der beiden Schachtanlagen in Pension oder kehrten von sich aus ab. Die bis dahin gebauten Flöze und bisher ausgewiesene Vorräte in Höhe von rd. 200 Millionen Tonnen mußten aufgegeben werden, weil diese Kohlenqualitäten entweder nicht mehr gefragt waren oder die Vorräte unter den verschärften Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich abgebaut werden konnten. Der Ibbenbürener Bergbau verlagerte den Abbau weiter in die Tiefe und baute das qualitativ sehr gute Flöz 2 ab.
In den Jahren 1969 bis 1971 war wieder ein kräftiger allgemeiner Konjunkturanstieg zu verzeichnen. Entsprechend verbesserte sich auch die Absatzsituation, und die Förderung erreichte 1971 mit 2,8 Millionen Tonnen die höchste je erreichte Marke. Ab 1971 stellte sich jedoch erneut ein starker Absatzrückgang ein. Auf dem Hausbrandsektor drangen Erdöl und Erdgas unerwartet stark vor. Auf dem Auslandsmarkt machten sich für die Ibbenbürener Kohle die Änderungen der Währungsparitäten und die billigen Anthrazit-Nuß-Exporte aus den sogenannten Drittländern besonders negativ bemerkbar. Infolge der Erdölkrise 1973/74 und der allgemeinen Energieverknappung war zunächst eine auch langfristig erhöhte Nachfrage nach Steinkohle erwartet worden. In der zweiten Hälfte 1974 wurde deshalb untersucht, ob ein Weiterbetrieb des Westfeldes durch den Aufschluß der ca. 600 m unter dem zuletzt gebauten Flöz 2 liegenden Flöze 53/54 wirtschaftlich möglich ist. Im Zuge gleichlaufender weiterer Untersuchungen wurde schließlich festgestellt, daß kein hinreichend begründeter Anlaß besteht zu der Annahme, daß in absehbarer Zeit wenig mehr als 2 Millionen Tonnen Kohle jährlich abgesetzt werden können.
Auf dem Ostfeld wurden bis 1979 die Aufschlußarbeiten in den Flözen 53/54 abgeschlossen. Damit ist es möglich die Förderung. die voraussichtlich im Markt untergebracht werden kann, allein im Ostfeld zu gewinnen. Der Weiterbetrieb des Ostfeldes hätte unter diesen Voraussetzungen zu einer Überkapazität geführt, die für die Preussag AG zu einer bedrohlichen Belastung geworden wäre. Da die Verstromung einer so großen zusätzlichen Menge bis heute nicht realistisch ist.
Am 12.12.1975 wurden die Betriebsräte
des Ost- und Westfeldes der Steinkohlenbergwerke Ibbenbüren unterrichtet,
daß - selbst unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung
des Bergwerks für den Raum Tecklenburg - ein Weiterbetrieb des Westfeldes
über die Mitte des Jahres 1979 hinaus die Existenz des gesamten Ibbenbürener
Bergbaus gefährden würde. Am 18.1.1976 wurde bei einer Betriebsversammlung
der gesamten Belegschaft die Stillegung des Westfeldes zum 30.6.1979 bekanntgegeben.
Wassereinbruch auf der 2.Sohle am Marianneschacht (1953) |
Dammbau auf der 2.Sohle am Marianneschacht (1953) |
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Mit freundlicher Genehmigung der Preussag AG Kohle, Ibbenbüren